Samstag, 19. November 2011

Das weite Land des komplizierten Subjekts

"Die Seele... ist ein weites Land. So vieles hat zugleich Raum in uns: Liebe und Trug, Treue und Treulosigkeit, Anbetung für die eine und Verlangen nach einer anderen oder nach mehreren. Wir versuchen wohl Ordnung in uns zu schaffen, so gut es geht, aber diese Ordnung ist doch nur etwas Künstliches. Das Natürliche ist das Chaos."

Arthur Schnitzlers "Das weite Land" – Residenztheater München (Foto: Hans Jörg Michel)
Die Ordnung wird durch Stand, Gesellschaft, Traditionen und Routine bestimmt, das Innenleben sollen wir innerhalb der nächsten 3 Stunden erforschen.

Regen und Nebel, ein kalter Luftzug weht durch den Theatersaal; so beginnt Arthur Schnitzlers "Das weite Land", mit dem die Spielzeit 11/12 am Bayerischen Staatsschauspiel unter dem neuen Intendanten Martin Kusej eröffnet wurde. Eine Stimme wirft essentielle Fragen in den Raum: wer sind wir und wo stehen wir in der Gegenwart? Was machen wir mit unserer Verpflichtung Traditionen gegenüber, mit denen wir aufgewachsen sind und die uns Halt geben sollen? Und was ist und wohin bringt uns die Zukunft? 

Wir befinden uns vor einem tropischen Lianenvorhang, dessen Symbolhaftigkeit erst nach und nach deutlich wird, je mehr sich die Figuren auf der Bühne in "Herzensschlampereien" begeben, sich die Beziehungen auflösen und wieder neu verstricken, kurzum man sich im eigenen Gefühlsdschungel verlaufen muss. In diesen Dschungel, und damit in ihr Unterbewusstsein, tauchen die Figuren ab und kommen meist zerkrazt und blutig wieder hervor. Erstaunlich viel Psychologie für diese Figuren mit Adelstitel und Vermögen, die sich über gesellschaftliche Strukturen definieren, deren absoluter Höhepunkt nur noch eine Reise raus ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten sein kann. Nach Aufstieg und Fall, was mit einer gigantischen Bergkulisse und einer Gerölllandschaft durchaus wörtlich genommen werden kann, finden wir uns in freudianischer Manier wieder auf einem psychoanalytischen Sofa. Immer neue Verstrickungen werden ebenso plötzlich sichtbar als sie wieder vertuscht und zugedeckt werden. Und dennoch scheint sich alles irgendwie aufzulösen... zurück bleibt: ein tragikomischer Held.

Entgegen aller Erwartungen bricht Martin Kusej (noch) nicht mit den Dornschen Sehgewohnheiten: starke, symbolisch aufgeladene Bilder und Figuren präsentiert er uns. Der Zuschauer wird stark in seine Beobachter-Rolle zurückgedrängt, emotionales Mitgehen ist streckenweise schwer möglich. Die gewohnt große Bühne ist auf einen Guckkasten geschrumpft: ein kleiner voyeuristischer Blick in die Innenwelt der Figuren.

Mittwoch, 9. November 2011

Schlusspunkt.

Wir träumen vom Suchen und Finden der Liebe, wir träumen von Beziehungen, aber wir träumen garantiert nicht vom Ende eben dieser!

Rosa Brille abgesetzt. Seifenblase geplatzt. Aufgewacht. Aus der Traum.
Und jetzt? Schluss machen per SMS? Schluss machen per Facebook-Status-Eliminierung? Schluss machen per Chat? Schluss machen per Skype? Schluss machen per Brief? Schluss machen per Gespräch?

So kreativ wie beim Beziehung beenden, dem gefürchteten “Schluss machen”, sind die meisten während der ganzen Beziehung nicht. Lange wird überlegt, lange wird nachgedacht, lange wird getippt, gelöscht, neu getippt… lange wird gesucht nach Gründen, wenn man keine findet oder sich um Kopf und Kragen reden müsste, wird der Grund einfach ausgespart.
Ich würde sogar soweit gehen, zu behaupten, es gibt schon fast mehr „Schlussmach-“ als „Anmachsprüche“.

Beginnen wir mit dem Anfang vom Ende: „wir müssen reden…“ selten ist ein Satz so dermaßen brutal eindeutig konnotiert wie dieser – Der Auslöser für eine Explodieren an Gedanken, Selbstvorwürfen und Gegenfragen.
„es liegt nicht an dir, es liegt an mir…“ – warum tust du dann nichts dagegen?
„ich hab lange nachgedacht…“ – und warum alleine? Sind Beziehungen nicht dazu da, dass man ein vertrautes Gegenüber vor sich hat, mit dem man eben auch zusammen denken kann?
„weißt du, es hat einfach keinen Sinn…“ – plötzlich? Aber 2 Jahre mit Herzchen in den Augen vollkommen zusammenleben.
Die Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen... erschreckend, dass im Internet sogar schon "Schlussmach-Abos" kursieren...

Glücklich, wer all das noch von Angesicht zu Angesicht aufgesagt kriegt. Heutzutage ist das leider zu einer Seltenheit geworden. Die äußerst unangenehme Situation, dem anderen bislang (vermeintlich) über alles geliebten gegenüberstehen zu müssen, ihm in die Augen sehen zu müssen, seine immer noch überwältigende Anwesenheit ertragen zu müssen wird gemieden.
Lieber die Möglichkeit behalten, per Knopfdruck den anderen im wahrsten Sinne des Wortes auszuschalten.

Aber Moment. was machen wir mit dem Beziehungsende vor dem Beginn einer Beziehung?
Man lernt sich kennen, im Herz wird aplaudiert, man hat ihn gefunden! Wir reden wir lachen, wir philosophieren und psychologisieren, zählen Sonnenstrahlen und Sterne, wir laufen Händchen haltend über Wiesen und plötzlich… ein Abgrund und unten kauert schon hungrig und knurrend das böse B-Wort-Monster. Sie springt, er traut sich nicht und kehrt um. - es bleibt der freie Fall?! Es folgt irgendwann der Aufprall. Sie findet sich wieder in einer ganzen Schar mutiger Genossinnen.
Was ist passiert mit dem "starken Geschlecht"? Seid ihr abgestumpft vor lauter kassierten Körben und erlebten Zwängen?  Männer werden immer schwächer, Frauen immer stärker; "Emanze" heißt das dann mit neidischem Unterton.
Wir brauchen uns bald nicht mehr um den letzten Mann auf Erden Sorgen machen, vielmehr sollten die lieben feigen Männer von heute sich bald mal nach der letzten Frau auf Erden umschaun. Und da wirds mindestens zwei geben, und die werden lesbisch sein, weil sie gesprungen sind und sich von Wolke 7 wieder hochtragen haben lassen. - Die letzten werden die ersten sein und wer riskiert, kann nur gewinnen!