"Die Seele... ist ein weites Land. So vieles hat zugleich Raum in uns: Liebe und Trug, Treue und Treulosigkeit, Anbetung für die eine und Verlangen nach einer anderen oder nach mehreren. Wir versuchen wohl Ordnung in uns zu schaffen, so gut es geht, aber diese Ordnung ist doch nur etwas Künstliches. Das Natürliche ist das Chaos."
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| Arthur Schnitzlers "Das weite Land" – Residenztheater München (Foto: Hans Jörg Michel) |
Die Ordnung wird durch Stand, Gesellschaft, Traditionen
und Routine bestimmt, das Innenleben sollen wir innerhalb der nächsten
3 Stunden erforschen.
Regen und Nebel, ein kalter Luftzug weht durch den Theatersaal; so beginnt Arthur Schnitzlers "Das weite Land", mit dem die Spielzeit 11/12 am
Bayerischen Staatsschauspiel unter dem neuen Intendanten Martin Kusej
eröffnet wurde. Eine Stimme wirft essentielle Fragen in den Raum: wer sind wir und wo stehen wir in der Gegenwart? Was machen wir mit unserer Verpflichtung Traditionen gegenüber, mit denen wir aufgewachsen sind und die uns Halt geben sollen? Und was ist und wohin bringt uns die Zukunft?
Wir befinden uns vor einem tropischen Lianenvorhang, dessen Symbolhaftigkeit erst nach und nach deutlich wird, je mehr sich die Figuren auf der Bühne in "Herzensschlampereien" begeben, sich die Beziehungen auflösen und wieder neu verstricken, kurzum man sich im eigenen Gefühlsdschungel verlaufen muss. In diesen Dschungel, und damit in ihr Unterbewusstsein, tauchen die Figuren ab und kommen meist zerkrazt und blutig wieder hervor. Erstaunlich viel Psychologie für diese Figuren mit Adelstitel und Vermögen, die sich über gesellschaftliche Strukturen definieren, deren absoluter Höhepunkt nur noch eine Reise raus ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten sein kann. Nach Aufstieg und Fall, was mit einer gigantischen Bergkulisse und einer Gerölllandschaft durchaus wörtlich genommen werden kann, finden wir uns in freudianischer Manier wieder auf einem psychoanalytischen Sofa. Immer neue Verstrickungen werden ebenso plötzlich sichtbar als sie wieder vertuscht und zugedeckt werden. Und dennoch scheint sich alles irgendwie aufzulösen... zurück bleibt: ein tragikomischer Held.
Entgegen aller Erwartungen bricht Martin Kusej (noch) nicht mit den Dornschen Sehgewohnheiten: starke, symbolisch aufgeladene Bilder und Figuren präsentiert er uns. Der Zuschauer wird stark in seine Beobachter-Rolle zurückgedrängt, emotionales Mitgehen ist streckenweise schwer möglich. Die gewohnt große Bühne ist auf einen Guckkasten geschrumpft: ein kleiner voyeuristischer Blick in die Innenwelt der Figuren.
















